„Tür für Wertzuwachssteuer bleibt abgeschlossen“

Sind seit Mittwochabend alle Unstimmigkeiten in der Mitte-rechts-Regierung von Charles Michel (MR) begraben? Und: Hat N-VA-Chef Bart De Wever sogar tatsächlich die Tür einen Spalt geöffnet für die Einführung einer Wertzuwachssteuer, gegen die er sich bislang immer gesträubt hatte? Dieses beiden Fragen beschäftigte gestern das Brüsseler Regierungsviertel, und im Kammerplenum war sogar eine gewisse nervöse Spannung spürbar.

Bron: Grenz Echo

Die Parteivorsitzenden von N-VA und CD&V, Bart De Wever und Wouter Beke, hatten am Mittwoch in einer gemeinsamen „Kumbaya“-Erklärung das Kriegsbeil begraben. Die anhaltenden Streitereien der letzten Wochen sind beigelegt, das Vertrauen in der Koalition scheint wieder hergestellt, auch wenn es zerbrechlich bleibt. Für wie lange, bleibt abzuwarten.Wie auch immer, die Föderalregierung schien von einer schweren Last befreit und beschloss noch am Mittwoch, die schwarze Null im Staatshaushalt bis zum Jahr 2019 aufzuschieben (statt 2018, wie im Koalitionsvertrag versprochen). Auch kündigte Premier Charles Michel (MR) für die kommenden Monate drei thematische Superministerräte an (über Sicherheit, wirtschaftliche Entwicklung und Armutsbekämpfung) und gab damit das Signal, dass der Zug seiner Regierung wieder rollt. Vor der Presse erklärte Michel am Donnerstag, er seiüberzeugt, dass die Regierung in der zweiten Hälfte der Legislatur Fortschritte erzielen werde und alle Koalitionspartner „guten Willens sind, um loyal und professionell zu arbeiten“. Eine Garantie, dass es nicht wieder zu Streitereien kommen wird, wollte er allerdings nicht geben.

Unerwarteter Lichtblick war noch keine 24 Stunden später wieder verflogen.

Zur Illustration für das neue Einvernehmen zwischen den Streithähnen CD&V und N-VA schien De Wever am Mittwochabend sogar die Tür einen Spalt zu öffnen für ein bisheriges Tabu, nämlich die Einführung einer Wertzuwachssteuer, wie sie von der CD&V gefordert wird. „Die Idee einer gerechten Besteuerung ist für mich legitim. Viele Menschen im Land finden, dass die steuerliche Belastung nicht gerecht verteilt ist. Ich denke, dass Lösungen und Reformen möglich sind. Es ist ein Nehmen und Geben“, erklärte er. Als Gegenleistung verlangt die N-VA eine Reform der Unternehmensbesteuerung: Der allgemeine Steuersatz von 33,99 Prozent soll gesenkt, und gleichzeitig sollen zahlreiche Hintertürchen der Steuervermeidung geschlossen werden. Diese Reform lag bereits im Oktober 2016 auf dem Tisch der Haushaltsverhandlungen, doch verlangte die CD&V im Gegenzug die Einführung einer Wertzuwachssteuer. Keines von beiden ging durch, und beide Reformen stecken seitdem fest.

CD&V-Vizepremierminister Kris Peeters nannte die Öffnung von De Wever ein „positives Signal“, doch verflog der unerwartete Lichtblick noch keine 24 Stunden später, als die N-VA ihren Standpunkt verdeutlichte: Ein Kompromiss über eine ehrliche Besteuerung sei möglich, aber eine Wertzuwachssteuer sei ausgeschlossen, sagte der Kammerabgeordnete Peter Dedecker. Und für die flämischen Liberalen (Open VLD), die ihrerseits eine Aktivierung des Spargelds zugunsten der Wirtschaft fordern, bleibt eine solche Vermögenssteuer ein Tabu, wie der Kammerabgeordnete und Finanzexperte Luk Van Biesen

erklärte. Unmissverständlich äußerte sich auch der Fraktionsvorsitzende Patrick Dewael im Rahmen der aktuellen Fragestunde im Kammerplenum, wo Mehrheit und Opposition zur aktuellen Situation in der Koalition Stellung bezogen: „Zusätzliche Steuern haben nie auch nur einen einzigen Job geschaffen. Im Land mit den höchsten Steuern brauchen wir eine gerechtere und geringere Besteuerung, aber eine Wertzuwachssteuer wird es mit uns nicht geben. Für uns ist die Tür nicht einen Spalt offen, sie ist fest verschlossen.“

Charles Michel verlor im Halbrund kein Wort mehr über die Wertzuwachssteuer und die Senkung der Unternehmenssteuer, obwohl einige Abgeordnete nach der Interpretation der vermeintlichen Öffnung von De Wever gefragt hatten. Es fiel allerdings auf, wie die Sprecher von CD&V und N-VA demonstrativ die bisherigen Leistungen der Regierung hervorhoben und zu erkennen gaben, dass ihre Unstimmigkeiten der Vergangenheit angehören. Und nachdem der Premier ebenfalls die sozio-ökonomischen Errungenschaften gelobt und abermals erklärt hatte, dass er keine illoyale Verhaltensweise mehr dulden werde, gab es kräftigen Applaus von den Mehrheitsfraktionen – so als wollten sie sich selbst davon überzeugen, wie groß die Eintracht in der Regierung ist, wie ein Oppositionspolitiker scharf bemerkte. „Aber die Außenwelt ist nicht überzeugt“, fügte er hinzu.

War die Öffnung von De Wever etwa nichts Anderes als eine (kleine) Wiedergutmachung für die beleidigenden Aussagen von N-VA-Staatssekretärin Zuhal Demir, die die CD&V eine „Moslempartei“ genannt hatte? „Kuhhandel ist in der Politik gang und gäbe, aber ich hoffe, dass dies hier nicht der Fall ist. Andernfalls würde das bedeuten, dass CD&V und N-VA erneut zu einem CVP-Staat abgleiten.“ (gz)